Bernhard Lang
JAHWE, der biblische Gott: ein Porträt
München (C. F. Beck) 2002
320 S., Ln. €19,90
ISBN 3-40-648713-0
Der Verfasser, Professor für Altes Testament in Paderborn und St. Andrews/Schottland und bekannt durch seine bisherigen Werke zum Thema Monotheismus und Weisheit in Israel, präsentiert in diesem Buch einen mehr religionswissenschaftlichen Ansatz zum Verständnis des Gottes Jahwe und dessen Etablierung zum Staatsgott Israels. Das Buch ist in einem leicht lesbaren, auch an eine breitere nichttheologische Leserschaft adressierten Stil gehalten, der allerdings bewirkt, dass einige von L.s Folgerungen nur in verkürzter Form und manchmal ohne die üblichen ausführlichen literarischen Belege vorgetragen werden. Darüberhinaus stimmen die Seitenangaben zu den Anmerkungen im Anhang nicht immer mit den tatsächlichen Seitenzahlen überein.
L. orientiert sich and der Theorie des französischen Religionswissenschaftlers Georges Dumézil (1898-1986), die in der Einleitung vorgestellt wird (13-29). Dieser Theorie zufolge beruhen alle indoeuropäischen Religionen auf einem Drei-Funktionen-Prinzip ihrer Hauptgottheit, das sich ihrerseits in drei gesellschaftlichen Klassen widerspiegelt: Herrschaft und Weisheit (= Adel), Krieg (= Militär) sowie Leben und Wohlstand (= Bauernschaft) (16-17). Dumézil war jedoch überzeugt, dass dieses Modell nicht auf alle Religionen übertragbar sei.
In leichter Abwandlung von Dumézils Theorie fährt der Vf. fort, Jahwe als einen Gott vorzustellen, der alle diese Funktionen in sich vereinigt und unterteilt darüberhinaus die dritte Funktion des Reichtums und Wohlstands noch in drei Unterkapitel: Tier, Mensch und Fruchtbarkeit im Allgemeinen. Auf diese Weise entsteht ein recht kompaktes fünfgliedriges Gottesbild des israelitischen Gottes Jahwe, den L. als Herrn der Weisheit (30-64), Herrn des Krieges (65-99), Herrn der Tiere (100-136), Herrn des Einzelnen oder persönlichen Gottes (137-172) und schließlich als Herrn der Ernte (173-210) beschreibt. Ein Epilog über die Entstehung des Monotheismus (211-233) und eine Einordnung Christi in diese Unterteilung (233-244) sowie zwei Beilagen über die Namen Jahwes und ein geschichtlicher Abriss des Alten Orients (245-269) schließen dieses ausführliche Porträt ab.
Wer sich vom Titel dieses Buches ein tieferes theologisches und spirituelles Verständnis des unfassbaren, unnennbaren und alles Irdische übersteigenden biblischen Gottes versprochen haben mag, wird es vielleicht etwas voreilig in die Ecke legen. In der Tat scheinen diese eben genannten Eigenschaften schlecht zu einer "Korsettierung" nach Dumézilschem Muster zu passen und die Absicht L.s, Jahwe nicht nur in ein dreigliedriges, sondern gar in ein fünfgliedriges System zu zwängen, erscheint vor diesem Hintergrund zumindest diskutabel.
Jedoch muss sich der/die Leser/in vor Augen halten, dass es sich bei diesem Buch im Wesentlichen um eine religionsgeschichtliche Untersuchung handelt, in der bei aller Einzigartigkeit Jahwes vor allem dessen (und ich benutze bewusst den maskulinen Artikel) Ähnlichkeit mit Gottheiten anderer aor Religionssystemen im Vordergrund steht. Der Rückgriff auf chinesische, indische und afrikanische Gottesvorstellungen bzgl. des Gottesbildes Jahwes, wie L. dies an mehreren Stellen (63-64.116-117.152) anführt, erscheint deshalb nur vor diesem erweiterten Horizont als relevant, wenn auch nicht immer einsichtig.
Nach dieser kritischen Würdigung muss allerdings hervorgehoben werden, dass aus religionsgeschichtlicher Sicht die jeweiligen fünf Kapitel ein durchaus stimmiges und in sich geschlossenes Bild Jahwes abgeben, das dessen Ursprung in altorientalischen Traditionen gut veranschaulicht. Insbesondere der Vergleich Jahwes mit dem als Herrn der Tiere bekannten El Šaddai (131-136) und der Versuch, die Passionsgeschichte Jesu als der im Alten Orient weit verbreiteten Vorstellung von der Jenseitsfahrt Gottes zu deuten, lassen manche/n Leser/in religionsgeschichtliches Neuland betreten. Alles in allem gibt L. mit diesem Buch ein innovatives Bild des alttestamentlichen Gottes ab, bei dem klar wird, dass Jahwe keine geschichtslose Größe ist, sondern tief in altorientalischer Tradition verwurzelt ist.
Thomas Hentrich
Dept. of Christian Studies, Kyoto University